Panta rhei – alles fließt. Privat wie beruflich sind wir laufend Veränderungen ausgesetzt. Was uns gestern wichtig war ist heute eher unbedeutend und umgekehrt. So gesehen ist berufliche Neuorientierung, gelebt in kleinen oder großen Dosen, eher die Regel als die Ausnahme.
Das „Weiter so!“ mutiert zu einem „Weiter so?“
Du wirst persönliche Gründe haben, an eine berufliche Neuorientierung zu denken:
- eine fehlende Perspektive,
- Langeweile und Lustlosigkeit am Arbeitsplatz,
- fehlender Rückhalt,
- mangelnde Akzeptanz,
- Fegefeuer der Eitelkeiten.
Oder es sind eher die äußeren Umstände, die Dich nachdenklich machen:
- die aktuell durch Corona verursachte wirtschaftliche Krise mit der steigenden Zahl von Arbeitslosen und Kurzarbeitern.
- Umstrukturierungen innerhalb Deines Unternehmens, der Deinen Arbeitsplatz in Frage stellt oder
- ein geplanter Umzug in eine neue Region.
Dir wurde gekündigt? Unerfreulich, aber auch eine ausgesprochene Kündigung und die damit verbundene drohende Arbeitslosigkeit bietet neben Risiken auch Chancen: Der berühmte A…tritt, den Du für eine berufliche Veränderung womöglich brauchst, wenn der innerliche Ruf nach Veränderung noch zu schwach ist.
Erstmal orientieren: Der 360 Grad Check für Deine berufliche Neuorientierung
Schaue zurück…
Welche Erwartungen haben sich für Dich in Deiner aktuellen Position bereits erfüllt? Was motiviert Dich, Tage für Tag, Woche für Woche zur Arbeit zu gehen:
- Ist es die herausfordernde Tätigkeit oder der schnöde Mammon?
- Oder die attraktive und verständnisvolle Kollegin aus der Marketingabteilung?
- Lieferst Du ab, lieferst Du ab und zu oder lieferst Du nur Müll?
- Kannst Du Deinen Beitrag am Erfolg des Unternehmens einschätzen?
- Hast Du ein gutes Standing oder fühlst Du Dich als Bauernopfer?
- Kannst Du die in Dich gesetzten Erwartungen erfüllen oder nicht?
- Spulst Du Dein Tagespensum in einer Stunde ab und langweilst Dich den Rest des Tages?
- Ertappst Du Dich dabei die Freiheiten des Home-Office mitunter etwas großzügiger auszulegen?
…und nach vorne…
- Welche Erwartungen haben sich noch nicht erfüllt?
- Gibt es in naher Zukunft in Deinem Unternehmen Veränderungen, die dich betreffen könnten? Ein neues Team, ein neues Projekt?
- Welche Chancen und Risiken bieten sich Dir?
- Siehst Du Möglichkeiten, Dich in Deinem Unternehmen weiter zu entwickeln?
Blicke nach links und rechts….
- Gibt es Kollegen, Die Dich auf der Karriereleiter überholt haben, weil Sie einfach besser sind, besser zum Unternehmen passen oder sich sozial besser integrieren?
- Bist Du einem Blender, Dummschwätzer zum Opfer gefallen, der sich einfach besser verkaufen kann oder über sehr gute Kontakte zur Geschäftsleitung verfügt?
- Bist Du mit Deiner aktuellen Position zufrieden oder hast Du schlicht und einfach vergessen, zum richtigen Zeitpunkt die Hand zu heben?
…und nach oben und unten
- Bist Du ein Diktator, Initiator oder Moderator?
- Sind Deine Mitarbeiter mit Deinem Führungsstil einverstanden?
- Erreichst Du mit Deinem Team die Ziele, die Ihr Euch gesteckt habt?
- Erfüllt Dein Team die Erwartungen, die die Unternehmensleitung in Euch gesetzt hat?
- Wie ist das Verhältnis zu den „Oberen“ zum „C-Level“, speziell zu Deinem Vorgesetzten?
- Genießt Du die Akzeptanz, die Du Dir wünscht?
- Lässt Dein Chef Dir die nötigen Freiräume, die Du brauchst um Dich einzubringen?
Horche in Dich hinein
- Was sind Deine Bedürfnisse, Sehnsüchte, Interessen und Wünsche?
- Bist Du im Einklang mit Dir selbst und der Umwelt?
- Oder musst Du Dich verstellen, um akzeptiert zu werden?
Die Sache ist ja relativ einfach: In Dir schlummert ein Potenzial, was darauf wartet, abgerufen zu werden. Du bist mit gewissen Talenten gesegnet, Du hast umfangreiche Erfahrungen gesammelt. Du entwickelst Dich beruflich wie privat kontinuierlich weiter. Und so sollte es auch in Deinem Berufsleben sein. Dinge, die Dich im letzten Jahr noch begeistert haben, füllen Dich heute nicht mehr aus. Du hast doch noch Träume und Bedürfnisse, die Du verwirklichen möchtest, oder?
Wie Du an den Fragen siehst, geht es um Entwicklungen, die womöglich eine berufliche Veränderung nahelegen. Es geht nicht um Stimmungs- oder Formschwankungen, die wohl jeder in seinem Job kennt: Tage, an denen alles schiefläuft oder Du Dich ungerecht behandelst fühlst.
Exkurs Bibel: das Gleichnis von den Talenten
Das Himmelreich ist wie mit einem Mann, der auf Reisen ging: Er rief seine Diener und vertraute ihnen sein Vermögen an. Dem einen gab er fünf Talente Silbergeld, einem anderen zwei, wieder einem anderen eines, jedem nach seinen Fähigkeiten. Sofort begann der Diener, der fünf Talente erhalten hatte, mit ihnen zu wirtschaften, und er gewann noch fünf dazu. Ebenso gewann der, der zwei erhalten hatte, noch zwei dazu. Der aber, der das eine Talent erhalten hatte, ging und grub ein Loch in die Erde und versteckte das Geld seines Herrn.
Nach langer Zeit kehrte der Herr zurück, um von den Dienern Rechenschaft zu verlangen. Da kam der, der die fünf Talente erhalten hatte, brachte fünf weitere und sagte: Herr, fünf Talente hast du mir gegeben; sieh her, ich habe noch fünf dazugewonnen. Sein Herr sagte zu ihm: Sehr gut, du bist ein tüchtiger und treuer Diener. Du bist im Kleinen ein treuer Verwalter gewesen, ich will dir eine große Aufgabe übertragen. Komm, nimm teil an der Freude deines Herrn!
Dann kam der Diener, der zwei Talente erhalten hatte, und sagte: Herr, du hast mir zwei Talente gegeben; sieh her, ich habe noch zwei dazugewonnen. Sein Herr sagte zu ihm: Sehr gut, du bist ein tüchtiger und treuer Diener. Du bist im Kleinen ein treuer Verwalter gewesen, ich will dir eine große Aufgabe übertragen. Komm, nimm teil an der Freude deines Herrn!
Zuletzt kam auch der Diener, der das eine Talent erhalten hatte, und sagte: Herr, ich wusste, dass du ein strenger Mann bist; du erntest, wo du nicht gesät hast, und sammelst, wo du nicht ausgestreut hast; weil ich Angst hatte, habe ich dein Geld in der Erde versteckt. Hier hast du es wieder.
Sein Herr antwortete ihm: Du bist ein schlechter und fauler Diener! Du hast doch gewusst, dass ich ernte, wo ich nicht gesät habe, und sammle, wo ich nicht ausgestreut habe. Hättest du mein Geld wenigstens auf die Bank gebracht, dann hätte ich es bei meiner Rückkehr mit Zinsen zurückerhalten. Darum nehmt ihm das Talent weg und gebt es dem, der die zehn Talente hat! Denn wer hat, dem wird gegeben, und er wird im Überfluss haben; wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er hat. Werft den nichtsnutzigen Diener hinaus in die äußerste Finsternis! Dort wird er heulen und mit den Zähnen knirschen.
Matthäus Kapitel 25, Verse 14-30
Quintessenz: versinke nicht im Mittelmaß, sondern entdecke Deine Talente und rufe Dein Potenzial ab.
Marktreife: Dein Typ ist gefragt
Jetzt ist es in den seltensten Fällen so, das die Welt auf Dich wartet. Du musst Dich also nicht nur mit Deinen Motiven, Deinen Wünschen, Bedürfnissen auseinandersetzen, sondern auch etwas Marktkonformes anbieten, was aktuell nachgefragt ist: Neben Deiner fachlichen Qualifikation können das sein:
- Mitarbeiter immer wieder neu motivieren,
- Zuversicht auch in schwierigen Situationen ausstrahlen,
- Konflikte entschärfen,
- Disziplin und Termintreue,
- kreative Ideen einbringen,
- verblüffende Workarounds anbieten,
- komplexe Sachverhalte verständlich beschreiben, Dinge auf den Punkt bringen.
- Ein herzliches Wesen, das den sozialen Umgang in der Gruppe stärkt und für eine entspannt positive Arbeitsatmosphäre sorgt,
- soziales Engagement.
„Wo Deine Talente und die Bedürfnisse der Welt sich kreuzen, dort liegt Deine Berufung.“ – Aristoteles
Am Ende des Tages solltest Du mehr Klarheit über Deine berufliche Neuorientierung haben. Dir Deiner Stärken und Schwächen bewusst sein, Deine Einschätzung bezüglich Deiner Chancen und Risiken mit guten Freunden teilen.
Typische Denkblockaden, die Dich womöglich einschüchtern, einbremsen oder abschrecken:
- Vom Regen in die Traufe: es wird eh nicht besser, sondern schlechter.
- Jobwechsel im Alter? Vergiss es!
- Keine Experimente in Corona Zeiten
- Lieber der Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach.
- Ich werde meine treuen beruflichen Wegbegleiter vermissen.
- Mut- und kraftlos: Ich glaube, ich überschätze meine Fähigkeiten
Hinterfrage die aufgeführten Denkblockaden, ob die Gefahren und Risiken, die Sie vermitteln, wirklich real sind. Ich möchte hier auch nichts schönreden, aber sind nicht gerade diese Antithesen eine willkommene Einladung, Deine Aufbruchstimmung zunichte zu machen, um Dich wieder in Deine behagliche Komfortzone zurückzuziehen?
Natürlich kosten Veränderung immer Energie, Mut und Courage. In einem neuen Aufgabenbereich musst Du Dich bewähren, in einem neuen Unternehmen Standing und Reputation neu erarbeiten. Selbst Veränderungen in Deinem Verhalten an Deinem aktuellen Arbeitsplatz können zu Kopf schütteln und Nase rümpfen führen.
Du solltest auch nicht aus Enttäuschung, Frust, Panik oder aus einer Laune heraus vor Deinem aktuellen Job fliehen. Laufe nicht weg, sondern hin zu der Wunschposition oder Veränderung, zu der Du Dich hingezogen fühlst. Wenn Du bereit für eine berufliche Veränderung bist, solltest Du einen Plan haben: Benenne Deine Ziele und formuliere realistische Schritt wie und wann Du sie erreichen wirst. Ziehe auch Rückschläge ins Kalkül.
Das Ausmaß Deiner beruflichen Veränderung sollte schließlich auch im Einklang Deiner privaten Situation und Deiner finanziellen Lage sein. Wenn Du dabei bist, Dein Eigenheim abzubezahlen oder Du schulpflichtige Kinder hast sollte Dein Plan ziemlich wasserdicht sein. Wenn Du dagegen keine finanziellen Verpflichtungen hast, die Kinder aus dem Haus sind oder Du alleinstehend bist, kannst Du eher ins Risiko gehen. Ähnlich verhält es sich mit der Dauer Deiner Betriebszugehörigkeit. Wenn Du 10 Jahre oder länger für Dein Unternehmen tätig warst, verzichtest Du womöglich auf eine sehr stolze Abfindung. Hier könnte sich also kleinere berufliche Veränderungen innerhalb Deines Unternehmens anbieten. Umgekehrt, wenn Du eher ein Söldner ohne Bindung zu Deinem Arbeitgeber oder noch in der Probezeit bist, kann ein Jobwechsel angezeigt sein.
Ein praktisches Beispiel aus meinem Berufsleben: Mein erster Arbeitgeber war das Stammwerk von Henkel in Düsseldorf. Ich habe viel gelernt, aber nach einigen Jahren merkte ich, dass ich in meiner Entwicklung beruflich wie privat stagnierte. Ich begann, mir Gedanken über eine berufliche Neuorientierung zu machen. Einige Monate später gab es die Möglichkeit einer beruflichen Veränderung und ich wurde nach Wien entsendet. Ich habe lange hin- und her überlegt, Chancen und Risiken abgewogen und mich letztendlich für einen Wechsel entschieden. Im Nachhinein einer der besten Entscheidungen meines Lebens.
Vorhaben in die Tat umsetzen
Berufliche Neuorientierung muss nicht gleich Kündigung und Jobwechsel bedeuten. Deine Vorstellungen über berufliche Veränderungen sollten allerdings irgendwann in die Tat umgesetzt werden. Ob in kleinen Schritten oder mit einem großen Knall verbunden bleibt Deiner aktuellen Situation, Deiner Persönlichkeit und Deinem Leidensdruck überlassen. Berufliche Neuorientierung kann bedeuten, dass Du
- Deine Aufgaben und Verantwortungsbereich bewusster wahrnimmst.
- Dein Schneckenhaus verlässt.
- Deine Gewohnheiten und Verhaltensweisen überprüfst und modifizierst.
- Deine Komfortzone verlässt.
- Deine Bequemlichkeit und Deinen innerlichen Schweinhund überwindest.
- die rosarote Brille ablegst und Deine Entwicklungsmöglichkeiten realistisch einschätzt.
- einen möglichen Quantensprung vollziehst, vom Job zu Deiner Berufung, für die Du brennst.
- einen Plan hast, wo Du in 3, 6 oder 12 Monaten stehen willst – und diesen umsetzt.
- Deinen gegenwärtigen und zukünftigen Marktwert ermittelst.
- Deine Ideen und Wünsche in die Praxis umsetzt.
Rom wurde nicht an einem Tag erbaut. Berufliche Neuorientierung findet nicht über Nacht statt. Das ist auch gar nicht nötig. Finde Deine Position auf Deiner beruflichen Landkarte mit den weiter oben beschriebenen Fragen. Definiere Deine berufliche Zielposition. Und marschiere los: in kleinen oder großen Schritten.
(Bild: pixabay.com)